Interview für die Marketing- und Booking-Plattform Eventpeppers

Dieses Interview habe ich kürzlich für Eventpeppers gegeben. Hier geht´s zur PDF-Version

1. Lieber Herr Bertomeu, die Glasmusik ist wirklich eine tolle und außergewöhnliche Kunst. Wie kamen Sie denn dazu und wie sieht Ihre künstlerische Arbeit aus?
Da muss ich etwas ausholen. Ich habe ursprünglich an der Musikhochschule klassisches Orchesterschlagzeug studiert, also Pauken, Marimbaphon usw. Gleichzeitig habe ich aber auch immer in Bands gespielt; mit einer meiner Bands -The Flames- hatten wir sogar eine Hit-Single (Everytime/Afri-Cola-Spot). Eines Tages habe ich im erweiterten Musiker-Kollegenkreis einen Glasmusiker kennengelernt und bin wenig später von ihm gebeten worden, ihn kurzfristig krankheitsbedingt bei einem Engagement zu vertreten. Es handelte sich dabei gleich um ein recht renommiertes Ensemble im Bereich der „Neuen Musik“ mit Konzerten in der Tonhalle Zürich. Als klassisch ausgebildeter Orchesterschlagzeuger mit pianistischem Hintergrund kann ich mir einen fremden Notentext recht schnell erarbeiten, außerdem bin ich das Spielen mit Dirigent gewohnt und habe genug Erfahrung mit Neuer Musik. Deshalb fiel die Wahl auf mich – er traute mir wohl zu, mich in kürzester Zeit einzuarbeiten! (lacht) Der Klang des Instruments hat mich sofort fasziniert und nicht mehr losgelassen. Besonders die gestalterischen Möglichkeiten, den Ton zu entwickeln (also an- und abschwellen zu lassen wie bei einem Streichinstrument) hatten es mir angetan. Ich brauchte also auch schnell so ein Instrument und habe mir dann mit einem Glasbläser zusammen selber eins gebaut. Schließlich kann man nicht einfach in ein Musikgeschäft gehen und sagen: „Ich hätte gern ein Verrophon!“ In der Folgezeit habe ich mir die klassische Glasharmonika-Literatur und die wichtigen solistischen Orchesterpassagen für Glas erarbeitet. Dazu muss man wissen, dass im 18./19. Jahrhundert eine Art Vorläufer von meinem Instrument sehr populär war – die mittlerweile so gut wie ausgestorbene Glasharmonika. Da der mechanische Vorgang der Tonerzeugung etwas anders ist, würde ich sie als entfernte Verwandte des Verrophons bezeichnen, wenngleich die Instrumente klanglich sehr ähnlich sind. Die Glasharmonika war zu der Zeit dermaßen „en vogue“, dass sie in einigen Opern bei dramaturgisch entscheidenden Szenen eingesetzt wurde und selbst Komponisten wie Mozart Stücke für sie geschrieben haben. So kam es, dass ich im Laufe der Jahre mit einigen renommierten Orchestern zu musizieren die Ehre hatte – immer dann, wenn besagte Opern „mit Glasbeteiligung“ auf dem Spielplan standen und die Intendanz der Opernhäuser sich für die Originalversion mit Glas entschieden hatte. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die Zusammenarbeit mit den Machern von STOMP, die für eine neue, größere Produktion auf der Suche nach dem speziellen Glasklang waren und dabei auf mich aufmerksam wurden. Bei dieser neuen Show (Lost and Found Orchestra) werden Alltagsgegenstände nicht nur nach dem bewährten STOMP-Prinzip rhythmisch-perkussiv, sondern auch melodisch genutzt. Vereinfacht gesagt, kann man es sich als „STOMP mit Musik“ vorstellen. Seit 2008 bin ich nun als Glasmusiker und Percussionist fester Bestandteil dieser Show und viel in Europa, aber auch in den USA herumgekommen.

2. Können Sie unseren Lesern ein bisschen über das Verrophon erzählen?
Das Verrophon ist in den 1980er Jahren erfunden worden. Es besteht aus senkrecht in einem Holzkorpus befestigten Glasröhren, die am verschmolzenen Rand durch Reiben mit den Fingern in Schwingung gebracht werden. Die Röhren haben -anders als bei einer Glasharfe- alle den gleichen Durchmesser; einzig die Länge der Röhre bestimmt die Tonhöhe – wie bei einer Panflöte. Der recht kleine Durchmesser der Röhren bringt den spieltechnischen Vorteil mit sich, dass mehrstimmige Akkorde greifbar sind. Die Röhren bieten auch ein ganz anderes Klangvolumen als die Gläser, die man vom Gläserspiel kennt. Ich erlebe immer wieder, wie überrascht Menschen von der Lautstärke sind, wenn sie das Instrument zum ersten Mal live hören.

3. Wie lange braucht man um das Instrument zu erlernen? Wie verbreitet ist diese Kunst?
Zur 1. Frage: das ist schwer pauschal zu beantworten. Der erste Schritt -einen schönen Ton zu erzeugen mittels gleichmäßiger Reibung- ist sicher nicht ganz so schwer wie bei einem Streichinstrument. Denken Sie nur daran, wie kratzig die ersten Töne auf einer Geige klingen, bis man mit viel Übung einen schön klingenden Ton erzielt! Dennoch erfordert allein schon die Tonerzeugung beim Verrophon etwas Übung. Möchte man das Instrument „richtig“ lernen und es zu einer gewissen Virtuosität bringen, dann muss man wie bei jedem anderen Instrument viel üben. Zur Verbreitung: ich schätze, dass es weltweit nicht mehr als 10-15 Musiker gibt, die das Verrophon professionell spielen.

4. Wie darf man sich Ihre Auftritte vorstellen und für welche Veranstaltungen werden Sie besonders oft gebucht?
Neben den bereits erwähnten Orchester-Engagements und der Zusammenarbeit mit STOMP trete ich hauptsächlich solistisch auf. Eventagenturen buchen mich, wenn der Kunde etwas Besonderes wünscht. Das kann auch mal etwas im Spannungsfeld zwischen Klassik und Moderne sein. So habe ich neulich bei einer Loktaufe etwas Impressionistisches auf dem Verrophon gespielt und danach mit einem Geiger zusammen zu einem von uns vorher produzierten Track mit Loops und abgefahrenen Sounds die Lok perkussiv bearbeitet. Also „Klassik meets Elektronik“, Loksamples inklusive! Ansonsten: Lesungen, Firmenfeiern, Kongresse, Hochzeiten, Vernissagen… Der Glas-Klang trägt sehr schön in der Kirche und hat etwas sehr Feierliches und Berührendes, deshalb eignet es sich wunderbar für Hochzeiten. Aber auch bei Gala-Events als exklusives Spotlight, z. B. zwischen 2 Rednern oder etwa während des Dinners vor dem Dessert wird es oft angefragt. Mit gezielter Beleuchtung der Glasröhren lassen sich zusätzlich tolle visuelle Effekte erreichen.

5. Welche Stücke kommen bei Ihrem Publikum immer besonders gut an?
Für welches Repertoire ich mich entscheide, hängt immer vom Rahmen ab. Ich bespreche mich da immer vorher mit dem Veranstalter. In der Kirche oder im Schlosshof beispielsweise haben die klassischen Stücke aus der Blütezeit der Glasharmonika im 18./19. Jahrhundert eine ganz besondere, feierliche Wirkung. Da fühlt man sich bisweilen in eine Epoche zurückversetzt, als die Menschen noch Perücken trugen. Bei Lesungen oder Vernissagen spiele ich oft etwas Impressionistisches, das unterstreicht die nicht wirklich greifbare Wirkung und das Märchenhafte des Glas-Klangs. Was auch sehr gut ankommt, sind die melodiösen Evergreens und Popballaden, die ich für das Verrophon arrangiert habe. Manchmal arbeite ich noch zusätzlich mit einer Sängerin oder mit einem Violinisten zusammen. Man sieht, die Glasmusik ist wirklich sehr vielseitig einsetzbar. Ich sage das deshalb, weil Veranstalter ja oft nach etwas Außergewöhnlichem suchen, aber zufällig nicht gerade die Glasmusik „auf dem Schirm“ haben – und natürlich erst recht nicht das Verrophon.

6. Gibt es einen Auftritt, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Wenn ja, warum?
Ich tue mich schwer, eine Veranstaltung besonders hervorzuheben. Als Glasmusiker ist sicher die große USA-Tournee mit STOMPs „Lost and Found Orchestra“ 2010 ein absolutes Highlight gewesen, als Bandmusiker wären da noch die Open-Air-Festivals mit „The Flames“ und ein Live-Auftritt bei Stefan Raabs TV TOTAL zu nennen. Das Spannendste an meiner Arbeit als Glasmusiker ist für mich, dass man sich immer auf neue Situationen einstellen muss. Und ich freue mich nach all den Jahren auch immer wieder über die Faszination der Menschen, die das Verrophon zum ersten Mal gesehen und gehört haben. Ich beantworte auch nach wie vor wirklich gerne die vielen Fragen, die mir von Gästen jedes Mal nach dem Auftritt gestellt werden. Wenn mich das eines Tages anfangen sollte zu nerven, höre ich auf – versprochen! (lacht).

7. Zu guter Letzt: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Gesundheit! 🙂